Hier mal ein paar Gedanken zu einem Problem, welches mir in meiner Praxis immer wieder begegnet, zuletzt heute, und sich mir nicht wirklich erschließt, weil es inkonsequent ist.
Wie die Überschrift verrät geht es um die Beiordnung eines Pflichtverteidiger in einem Strafvollstreckungsverfahren.
Die Voraussetzung für einen „Pflichtverteidiger“ sind im § 140 StPO geregelt. Streng betrachtet ist der Pflichtverteidiger ein Fall einer „notwendigen Verteidigung“. Heißt, das Gericht oder zuvor die Staatsanwaltschaft, halten es im jeweiligen Fall für erforderlich, dass der Betroffene einen Verteidiger bekommt. Zum Beispiel dann, wenn der Betroffen in Untersuchungshaft sitzt oder wenn die vorgeworfene Tat ein Verbrechen ist, § 12 StGB, Mindeststraferwartung 1 Jahr. Da hat sich in den letzten Jahren etwas getan. So bekommt der Betroffene mittlerweile auch dann einen Verteidiger zur Seite gestellt, wenn ihm ein Vergehen zur Last gelegt wird, allerdings die Staatsanwaltschaft eine Straferwartung von mindestens einem Jahr für den Fall der Verurteilung für angemessen erachtet.
Wir sind nicht in den USA. „Wenn Sie sich keinen Verteidiger leisten können, wird Ihnen einer gestellt.“, klingt gut, hat aber mit der deutschen Realität nichts zu tun.
Dies bedeutet, auf die Spitze getrieben: 2 Jahre mit Aussetzung zur Bewährung geht nicht ohne Verteidiger, 11 Monate ohne Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung geht ohne Verteidiger. Wie war das im Kinderfernsehen? Klingt komisch, ist aber so.
„Prozesskostenhilfe“ gibt es nur in zivil- und verwaltungsgerichtlichen Auseinandersetzungen.
Nun merken wir uns, ein Jahr oder mehr Freiheitsstrafe = notwendige Verteidigung.
Ende der notwendigen Verteidigung und damit der Beiordnung ist die Rechtskraft des Urteils
Das Problem ist nun folgendes: Ein Mandant ist zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten rechtskräftig verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe ist zur Bewährung ausgesetzt („18 Monate auf Bewährung“). Nun kommt, was kommen muss, der Mandant verstößt gegen die Bewährungsauflagen.
Einen beigeordneten Verteidiger hat er ja auf Grund der Rechtskraft nicht.
Es kommt zu einer Anhörung auf Grund welcher entschieden werden soll, ob die Aussetzung der Strafe zur Bewährung widerrufen werden soll, sog. Bewährungswiderruf. Er sucht sich einen Verteidiger, der beantragt beigeordnet zu werden, der Antrag wird negativ verbeschieden.
Ergo: es droht mehr als ein Jahr Freiheitsstrafe, es gibt aber keinen Verteidiger beigeordnet.
Hier hab ich dann meine „Inkonsequenz“, welche ich eingangs erwähnte. Häufig wird hier argumentiert, dass es sich ja bei der Strafvollstreckung nicht mehr um das sog. Erkenntnisverfahren handelt. Allerdings findet sich in meiner Lesart im § 140 StPO nichts vom „Erkenntnisverfahren“. Auch nicht nach den Überschriften und der dogmatischen Einordnung, denn § 140 StPO findet sich unter der Rubrik „Allgemeine Vorschriften“.
Der Kollege Mettke aus Euskirchen hat ein Urteil das LG Magdeburg auf seiner Homepage veröffentlich, welches hier die Sache anders bewertet.
Ebenso finden sich ganz vereinzelte Entscheidungen, so wie die des AG Backnang, die der Kollege Burhoff hier veröffentlicht hat. Wie der Einleitung des Kollegen zu entnehmen ist, handelt es sich leider (!) um exotische, nach meiner Meinung, absolut richtige Entscheidungen.
Dem Aufruf des Kollegen kann sich nur mit Nachdruck angeschlossen werden.
Morgen geht ein entsprechender Antrag an das AG Arnsberg raus. Wollen mal sehen, was passiert!
In diesem Sinne…
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