Schon wieder „Vorverurteilung“

by RAKirschbaum on

Früh am Tag, der erst Kaffee ist noch nicht mal getrunken und schon reg‘ ich mich fast wieder auf!

Der Grund? Ein Artikel in der Online-Ausgabe der „Welt“ zum Thema Anklage gegen ein Präsidiumsmitglied des Landesjagdverbandes NRW. Dieser bezieht sich auf eine Mitteilung aus den „Westfälischen Nachrichten“.

Hintergrund ist, dass das „Komitee gegen Vogelmord“ (die nennen sich wirklich so) als Tipgeber im Sommer des vergangenen Jahres fungierte und die Ermittlungsbehörde auf eine mutmaßliche Vogelfalle aufmerksam machte. Es soll sich dabei um eine Lebendfalle gehandelt haben und der mutmaßliche Täter soll „in flagranti“ erwischt worden sein.

Warum kriege ich jetzt also erhöhten Puls?

  1. Da ich selber Jäger bin regen mich solche Praktiken, falls der Tatvorwurf stimmen sollte, über alle Maße auf! Sowas macht man nicht! Ende der Durchsage.
  2. Aber, noch sind wir ja gar nicht so weit! Und das regt mich, wie jede vorweggenommen Verurteilung durch die Presse, richtig auf.
  3. Durch die Formulierung „in flagranti“ ist nahezu allen Lesern schon gleich mit auf den Weg gegeben, dass der „schlimme Tierquäler“ es auch gewesen war. Außerdem klingt „in flagranti“ so herrlich schlüpfrig. Und unanständig. Da fühlt sich der Leser ein kleines bisschen als Voyeur und hat gleich das Gefühl irgendwie dabei gewesen zu sein, „Mäuschen gespielt zu haben“ wie man landläufig so sagt.

Der Grundsatz, dass jeder so lange als unschuldig gilt, bis sein Schuld bewiesen ist und er rechtskräftig verurteilt ist, ist eines der höchsten Güter unsere Rechtsstaates und des Strafprozessrechts. Durch eine voreingenommene und wenig objektive Berichterstattung nützt dies einem möglicherweise freigesprochenen Ex-Angeklagten nichts. Prominente Beispiele gibt es zuhauf. Sehr erhellend in diesem Zusammenhang war die erste Sendung „Schulz und Böhmenmann“ in der Jörg Kachelmann anwesend war.

Erschreckender Weise hilft hier der Blick über den Teich. Da Google die uns angezeigten Suchergebnisse filtert und sortiert, und zwar nach dem bisherigen Suchverlauf, ist es Mitgliedern des Obersten Gerichtshof bei der Urteilsfindung nicht erlaubt Hintergründe zu googeln, da man hier fürchtet, dass die bereits angelegten Meinungen und Einstellung des jeweiligen Richters nur verstärkt werden; eine objektive Recherche sei nicht mehr möglich. Selbsterfüllende Prophezeiung quasi.

Der Grundsatz hier nur von mutmaßlichen Tätern zu sprechen, sollte, nein muss, ergänzt werden. Man sollte auch nur von „mutmaßlichen Opfern“ sprechen, zumindest so lange, bis eine rechtskräftige Verurteilung vorliegt.

In aller Deutlichkeit: Falls der Tatvorwurf zutreffend sein sollte, ist ein solches Verhalten für mich nicht nachvollziehbar. Unabhängig von der Eigenschaft des Angeschuldigten als Mitglied des erweiterten Präsidiums des Landesjagdverbandes NRW.

In diesem Sinne…

P.S.: Kollege Hönig hat Recht. Therapeutisches Bloggen hilft. So, nun erstmal einen Kaffee!

Written by: RAKirschbaum

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